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13.02.2014

Der „Lange“ sammelte Medaillen wie andere Briefmarken

Klaus Wübbenhorst, Trainerlegende des SCM, feierte gestern seinen 85. Geburtstag. Für mich ist es eine liebgewordene Tradition, über meinen ehemaligen Studien,- Lehrer- und Trainerkollegen  Klaus Wübbenhorst bei runden Geburtstagen in der Volksstimme berichten zu dürfen. Es macht Riesenspaß, dass eine oder andere bisher fast Vergessene heraus zu kramen und die  Erfolgsetappen seines jahrzehntelangen Wirkens  im Leistungssport Revue passieren zu lassen.

Der „Lange“, wie der 85 jährige Jubilar wegen seiner Körpergröße genannt wird, wuchs in Seehausen (Altmark) als eines von 10 Kindern der Familie auf. Er lernte früh Verantwortung zu übernehmen und sich durchzusetzen,  anzupassen und einen exakten Tagesablauf einzuhalten. Den abgeschlossenen Lehrberuf des Stellmachers übte er nicht  lange aus, sondern bewarb sich 1952 aufgrund seiner überdurchschnittlichen intellektuellen und physischen Fähigkeiten  um ein Sport- und Werklehrerstudium in Leipzig. Eine Riesenumstellung bedeuteten dann das Großstadtleben, die Entfernung von der Heimat und fehlende  familiäre Wärme, die hohen sportlichen und geistigen  Anstrengungen, eben der  gesamte Lebensrhythmus.
„Hinzu kam, dass wir an jedem Monatsende auf unsere Lebensmittelmarken sehnsüchtig warteten, die es in den Nachkriegsjahren gab. Nur anhand dieser konnten wir uns mit den rationierten Nahrungsmitteln versorgen. Die natürlich bei der enormen körperlichen Belastung selten reichten“, erinnert sich Klaus Wübbenhorst. Das Stadtleben hatte ihm offensichtlich  zugesagt und  einer Visite der Kinder- und Jugendsportschule Magdeburg folgend bewarb er sich 1954 dort. Die Gründer dieser Einrichtung,  Herbert Wahrendorf und Willi Müller, suchten einen Leichtathletikexperten und Wübbenhorst traute sich das zu. Und was für ein Spezialist er wurde!
Als Klassen,- Mathematik- und „normaler“ Sportlehrer sowie Leichtathletiktrainer in den Nachmittagsstunden  begeisterte er  seine Schüler und die Leitungen in den verschiedensten Gremien des Sports. Nicht immer seine Ehefrau Irmgard, die ihm und den vier Kindern  mit bewundernswürdiger Energie immer den Rücken freihielt.
Seine erste, in vielleicht vier Etappen einzuteilende Tätigkeit, nämlich die „Lehrjahre“(1954-56) an der Sportschule, bereiteten ihm viel Freude  und brachten bereits in sehr kurzer Zeit territoriale und nationale Erfolgserlebnisse.              
Das „Gesellenstück“ gelang ihm in den nächsten Jahren mit vielen DDR- Jugend-  und Juniorenmeistertiteln und Rekorden im Zehnkampf, Hürdenlauf und Sprint durch Udo Benecke, Klaus Günter, Volker Gehlhoff, Armin Dauer u.a. Erste Länderkampfteilnahmen erzeugten berechtigte Stolzgefühle. Aber auch ein Stimmungstief sei nicht vergessen, als ein Sportler eine Kugel an den Kopf bekam.
In dieser Zeit war der Modellathlet „ Wüstenhorst“, so wurde er mitunter geneckt, sportlich sehr aktiv, spielte Handball und „malträtierte“ alle leichtathletischen Wurfgeräte. Er konnte wie im sportunterrichtlichen Fußballspiel einfach nicht verlieren. Deshalb stellten wir ihm eine Falle. Wir wetteten mit ihm, dass er gegen den wesentlich kleineren und leichteren Kollegen  Dr.  Joachim Griebsch im Diskuswerfen keine Chance hätte. Auf dem Nebengelände des altehrwürdigen Postsportplatzes, dem damaligen Trainingsgebiet der KJS, warf der sieggewohnte Wübbenhorst  konstant seine erwarteten Weiten, a b e r  Griebsch den Diskus gar über die weiter entfernte Mauer. Was der Verlierer jahrelang nicht wusste, unser Wettkönig hatte auf unser Betreiben hin  einen viel  leichteren Schülerdiskus benutzt.
Das war also  nicht gerade sein  „Meisterstück“! Dafür sorgte er Ende der 1960er und in den  1970er Jahren und danach. Eine ganze „Armada“ von 400 m-Läuferinnen und Läufern, sogenannten Viertelmeilern, bestimmte das Europa- und  Weltniveau und war bei Welt- und Europameisterschaften sowie Cups und Nachwuchshöhepunkten erfolgreich: Waltraud Dietsch (Birnbaum) läutete diese Erfolgsserie ein, Undine Bremer (Hartmann),  Benno Stops, Jürgen Ludewig, Jörg Bremer, die 400 m- Hürdler Albert Becker, Cornelia Ulrich (Feuerbach) - später bei  Becker trainierend, Sylvia Kirchner  und die 100 m- Hürdenläuferin Heike Tillack setzten sie nahtlos fort.
Der in der Zwischenzeit zum hauptamtlichen SCM-Trainer avancierte Erfolgscoach übernahm zusätzlich von 1968 bis 1991 als Lehrwart für die Frauen - Disziplinen 100m- Hürden und 400m- Hürden  sowie 400m und die 4x400m-Staffel  die Verantwortung im Deutschen Verband für Leichtathletik. 
Das noch fehlende  „Obermeisterstück“ vollbrachte er mit olympischen Medaillen und einem Weltmeistertitel seiner Athletinnen. Kaum ein deutscher und wohl auch ausländischer Sprint-Vereinstrainer kann auf Derartiges zurückblicken.
Bei den Olympischen Spielen in München 1972 setzte sich das Damenduo Annelie Ehrhardt (Jahns) und Dagmar Lühnenschloß (Käsling) die Goldkrone auf. Während Annelie in Weltrekordzeit die 100m- Hürden herunterwirbelte, stieg die einstige Mehrkämpferin Dagmar als Startläuferin der 4x400m Staffel  ebenfalls mit Weltrekord aufs oberste Treppchen. Vier Jahre später in Montreal  sprintete die exzellente Kurvenläuferin Carla Bodendorf(Rietig) in der 4x100m-Nationalstaffel zu Edelmetall. Nicht viel nach stand ihnen  bei Olympia 1988 Kirsten Emmelmann (Simon) mit  Bronzemeriten in der 4x400 m- Nationalstaffel. Eine glückliche Hand hatte Trainer Wübbenhorst  mit der Umstellung  Bärbel Broschats (Klepp) auf die 400m-Hürdendistanz. Seine Kontakte zu internationalen Sportfunktionären ließen ihn die überhaupt erste Austragung von Weltmeisterschaften ahnen. Seine  richtige Vermutung  war der Schlüssel zum Weltmeistertitel der sehr starken Bärbel Broschat.
Als sein Erfolgsrezept beschrieb Annelie Ehrhardt: „Training ist die eine Seite, aber es nützt nichts darin gut auszusehen, wenn im Wettkampf keine Umsetzung erfolgt. Offensichtlich habe ich unter seiner Anleitung  nicht nur richtig trainiert, sondern – psychologisch gesehen – war ich auf die Minute  topfit.“
Möge das Geburtstagskind noch oft „runden“, damit  Weiteres berichtet werden kann!


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